Mal­spiel (Arno Stern)

Nach­hal­tig Ler­nen tun wir alle nur da wirk­lich, wo wir er-leben, wo wir etwas dabei füh­len und nicht aus­schließ­lich unse­ren Intel­lekt bewe­gen dür­fen *2!

Es gibt nun jede Menge Schul­fä­cher, wo es denk­bar ist – und auch not­wen­dig – eine Kom­bi­na­tion aus Den­ken und Füh­len (und eigent­lich auch der Benut­zung des gan­zen Kör­pers, also dem Han­deln und Wol­len), also jede Menge Eigen­ak­ti­vi­tät zu ent­fal­ten – z.B. die geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Fächer wie Deutsch, Phi­lo­so­phie, Sozi­al­kunde, Reli­gion, und die künst­le­ri­schen oder bewe­gungs­ori­en­tier­ten Fächer sowieso. Es gibt ja z.B. die soge­nann­ten „bewegten Klas­sen­zim­mer“ in den unte­ren Klas­sen, wo alles dies inein­an­der­wir­ken darf, oder Schul­prak­tika für höhere Klas­sen. Und – kaum fass­bar, aber wahr, und doch immer noch Rand­er­schei­nun­gen – Schu­len, wo Bau­ern­höfe ange­glie­dert sind, wo Schü­ler ihr Lern­tempo selbst mit­be­stim­men. Ich ver­gesse nie, dass ich als Schü­le­rin in sol­chen Fächern jede Menge habe ERLEBEN, FÜHLEN dür­fen, mit vie­len mei­ner Facet­ten habe fan­ta­sie­ren kön­nen, auf eine bele­bende Art und Weise Grü­beln, Ver­mu­ten, Erschlie­ßen, Erken­nen kön­nen…. und dadurch neue Facet­ten, neue Wel­ten erobert habe. Ja, die Ver­net­zung die­ser mei­nen geis­ti­gen und emo­tio­na­len Fähig­kei­ten war sogar gefragt – so habe ich mich als Per­sön­lich­keit auch in der Schule ent­wi­ckelt und ver­gesse die Leh­rer, die sich dazu zur Ver­fü­gung stell­ten, nie. Aber auch die natur­wis­sen­schaft­li­chen Fächer pro­fi­tie­ren davon, wenn ihre Inhalte in einen grö­ße­ren, brei­te­ren, wei­te­ren Zusam­men­hang gestellt wird und Schü­ler mer­ken und spü­ren kön­nen, dass die Gesetze, die hier erforscht wer­den könn­ten, mit ihrem eige­nen Leben etwas zu tun haben. Sprich, mit der Far­big­keit, Leben­dig­keit und den ande­ren Fähig­kei­ten all sei­ner min­des­tens 5 Sinne und mit dem, was er hier auf der Welt erfah­ren und erle­ben kann.

Lernt ein Kind aber immer mehr nur im Hin­blick auf Schul­ab­schlüsse, wird diese so unver­gleich­lich wert­volle Erfah­rung ver­kürzt. Wenn immer mehr abfrag­bare Ergeb­nisse und Text­bau­steine zäh­len, geht dem sich bil­den wol­len­den Men­schen etwas verloren.

Fra­gen Sie sich auch manch­mal: wo ist denn mein Kind eigent­lich noch wirk­lich Kind?

Ein sich immer brei­ter aus­bil­den­des Therapie- und För­der­an­ge­bot ver­sucht die Lücken zu schließen, die durch ein­sei­ti­ges Ler­nen ent­stan­den sind. Was nicht in eine „ganz­heit­li­che“ Bil­dung (um einen viel­stra­pa­zier­ten Begriff zu ver­wen­den, den ich den­noch für pas­send halte) an För­der­mit­teln inves­tiert wurde, kommt hin­ten­herum mil­lio­nen­fach an Aus­ga­ben wie­der auf jeden Steu­er­zah­ler zu.

Ich selbst begann mei­nes Zei­chens als Kunst­the­ra­peu­tin auf die­ser Ebene zu arbei­ten, als „Feu­er­lö­scher“ sozu­sa­gen. Ich stehe in und hin­ter die­ser Arbeit

– mit dem Feuer mei­ner eige­nen Intui­tion, sowie

– mit der Freu­dig­keit und Luf­tig­keit mei­ner Beweg­lich­keit und Vor­stel­lungs­kraft, mit mei­ner Fähig­keit zu Ima­gi­nie­ren, bild­haft zu den­ken, aber auch

– mit dem nie ver­sie­gen­den Was­ser aus mei­ner eige­nen Lebens­quelle und mei­nem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen, dem Mit-Fühlen, mit vie­len Inspi­ra­tio­nen, und nicht zuletzt

– mit dem Ange­bot von Struk­tur, von dem Boden, den uns die Erfah­rung mit­tels unse­rer Sinne schafft, und mit mei­ner eige­nen Erdung und allen mei­nen Sin­nen. Das sind die Ele­mente, mit denen ich und viele andere in der The­ra­pie wie­der Boden schaffen.

Mit die­sen Sin­nen zu arbei­ten: davon ist eine Facette das Malen und Zeich­nen (sowie das Plas­ti­zie­ren, Musi­zie­ren, Tan­zen, Dich­ten und Schrei­ben….). Kann ich all diese Sinne und ihre Fähig­kei­ten ent­wi­ckeln, beginnt vie­les Sinn zu machen, was sinn­ent­leert erscheint, wenn ich nicht mit allen Sin­nen anwe­send sein kann. Ich kann mei­nen Weg ins Leben mit Kraft und Fan­ta­sie, Mut und Durch­hal­te­ver­mö­gen gehen. Ein Ideal? Ja! Doch wieso sollte ich es aufgeben?

Jedes Kind ist ein Meer von Mög­lich­kei­ten und ist per se ein Idea­list. Es hat einen gesun­den und hei­len Kern, der manch­mal tief ver­schüt­tet sein kann. Die­sen in der The­ra­pie anzu­spre­chen sehe ich als meine Aufgabe.

Mein Herz beginnt jedoch vor Auf­re­gung zu beben ange­sichts jeder Mög­lich­keit, prä­ven­tiv – „vor­her kom­mend“ – tätig zu wer­den. Um bei Bedarf für die unaus­weich­li­chen Wun­den, die das Leben schlägt, einen „Pool“ anzap­fen zu kön­nen. Einen Quell an Erleb­nis­sen der eige­nen Lebens­kraft und des Selbst­aus­drucks, des Ver­trau­ens in die eige­nen Fähig­kei­ten, und an Erfah­rung von Gemein­schaft mit ande­ren sowie der Erfah­rung, Unter­stüt­zung zu bekom­men, wenn sie not­wen­dig ist – und darum bit­ten zu können.

Es ist nicht nur das ein­zelne Kind gefähr­det (die „Kind­heit“ wurde vor nicht all­zu­lan­ger Zeit über­haupt als sol­che „ent­deckt“ und als sol­che in ihren Ent­wick­lungs­pha­sen nach­emp­fun­den und beschrie­ben) – was an sich schon dra­ma­tisch genug ist – viel­mehr sind die Kindheitskräfte*1 an sich, die wir u.a. auch als LEBENSKRÄFTE cha­rak­te­ri­sie­ren könn­ten in ihrer Ent­fal­tung bedroht – kaum dass sie in unse­rer Mensch­heits­ge­schichte ent­deckt wor­den sind!

Was geschieht denn nun aber im Mal­spiel, was anders ist als in ande­ren Kur­sen? Schließ­lich wird hier „nur“ gemalt, und es ist nicht­mal so, dass die Kin­der hier das Malen erst ler­nen wür­den und wir im Zuge des­sen stolz auf sie sein könn­ten, weil sie ihre Bil­der danach aus­stel­len und so – schein­bar – Selbst­be­wusst­sein und Selbst­wert ent­wi­ckeln! Im Gegen­teil – die Bil­der blei­ben im Malort und der Raum ist nur für die selbst Malen­den zugäng­lich! In diese Schub­lade passt das Mal­spiel schein­bar nicht. Und doch kann Ihr Kind/Ihr inne­res Kind hier etwas Unschätz­ba­res gewin­nen. Kann mein Kind nicht sowieso schon krit­zeln und auf seine „unvoll­kom­mene“, kind­li­che Weise malen? Wieso sollte es hier­her kom­men, um das zu tun, was es bereits kann?

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